Kretschmann: Bund ist in der Pflicht

Ministerpräsident spricht beim Stimme-Live-Talk „Ohne Ausrede“ über Flüchtlinge, die Ukraine und Wohlstand im Land

Von unserem Redakteur Jürgen Paul

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fordert nach dem Flüchtlingsgipfel vom Donnerstag mehr finanzielle Hilfe des Bundes. Da der Bund für die Flüchtlingspolitik zuständig sei, dürfe er die Kommunen bei der Finanzierung nicht im Regen stehen lassen, sagte Kretschmann am Freitag im Live-Talk „Ohne Ausrede“ bei Stimme.tv. „Da ist der Bund eindeutig in der Pflicht.“ Vom Flüchtlingsgipfel habe er sich ohnehin nicht viel versprochen. „Da kann man nicht erwarten, dass da etwas Konkretes bei rauskommt“, sagte Kretschmann. Im Gespräch mit Stimme-Chefredakteur Uwe Ralf Heer sprach sich der Ministerpräsident für eine rigidere Abschiebepolitik aus, um die angespannte Flüchtlingssituation zu entschärfen.

„Abschottung funktioniert nirgendwo auf der Welt.“
Winfried Kretschmann

Mit Blick auf die von der Ampel angekündigte Rückführungsoffensive sagte Kretschmann: „Die Menschen, die hier kein Bleiberecht haben, müssen schneller und stringenter zurückgeführt werden.“ Das sei leicht gefordert, aber schwer umzusetzen, weil man dazu Verträge mit den Herkunftsländern schließen müsse. „Daran arbeitet die Bundesregierung.“ Legale Einwanderung müsse man dagegen stärken, forderte Kretschmann. „Wir brauchen viele Fachkräfte.“

Begrenzung nötig Letztlich könne nur die Europäische Union das Migrationsproblem lösen, meinte der Grünen-Politiker. „Was halten Sie von Grenzzäunen in Europa?“, will Heer wissen. „Die Grenzpolizei müssen wir verstärken“, sagte Kretschmann, bei Grenzzäunen setze er aber ein Fragezeichen. „Wollen wir das wirklich?“ Im Einzelfall werde man auch Zäune errichten müssen, um illegale Einwanderung zu begrenzen. Aber Abschottung werde nicht klappen, „das funktioniert nirgendwo auf der Welt“, so Kretschmann. Mit Blick auf den  Ukraine-Krieg verteidigte er die Lieferung von Kampfpanzern als „richtig und wichtig“. „Ich bin noch nie ein Pazifist gewesen“, betonte Kretschmann. Diese Diskussion habe man in der Partei beim Kosovo-Krieg 1999 abgeschlossen. Sollte die Nato Kampfjets in die Ukraine liefern? „Diese Frage entscheidet nicht der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, sondern die Nato.“ Das Bündnis dürfe nicht Kriegspartei werden, zog Kretschmann eine rote Linie. Um den Wohlstand in Baden-Württemberg macht sich der Landesvater trotz großer Herausforderungen keine Sorgen. Der Mensch sei unglaublich kreativ. „Wenn wir kooperieren und der Kreativität freien Lauf lassen, dann sind wir in der Lage, so gut wie jede Krise zu meistern“, sagte Kretschmann.

Vorwärtsgang Man müsse den Vorwärtsgang einlegen, betonte er und nannte als Beispiele beschleunigte Genehmigungsverfahren bei Windrädern und die Entstehung des KI-Innovationsparks IPAI in Heilbronn. Es gehe darum, Innovation und Wertschöpfung ins Land zu bringen. In der für die Region so wichtigen Autoindustrie werden Kretschmann zufolge trotz des Endes des Verbrennermotors und der damit verbundenen Brüche viele neue Arbeitsplätze entstehen. „Ich denke, das wird in der Summe nicht zu dramatischen Verlusten führen, im Einzelfall aber schon, etwa bei Zulieferern.“ In der Krankenhausversorgung sieht Kretschmann das Land sehr gut aufgestellt. „Wir sind da vorbildlich in Baden-Württemberg“, sagte er und betonte: „Niemand muss Angst haben.“ Zugleich verteidigte er die Strategie, kleinere Krankenhäuser zugunsten großer Spezialkliniken zu schließen. Das sei eine emotionale Angelegenheit, räumt Kretschmann ein. „Wenn ein kleines Krankenhaus geschlossen wird, unterschreiben alle: Dieses Krankenhaus soll bleiben. Aber lassen sie sich nachher auch in dem Krankenhaus operieren?“ Man könne kein Krankenhaus erhalten, in dem sich die Menschen letztlich nicht operieren lassen. „Das macht einfach keinen Sinn.“ Man brauche eine Grundversorgung, aber wenn es um komplizierte Operationen gehe, müsse man auch in die besten Krankenhäuser gelangen können, betonte
Kretschmann.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (rechts) beim Live-Talk „Ohne Ausrede“ mit Stimme-Chefredakteur Uwe Ralf Heer.
Foto: Andreas Veigel

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Lob für Strobl

Auch zu Innenminister Thomas Strobl (CDU) äußerte sich Kretschmann beim Live-Talk. „Es gibt keinen Grund, Minister Strobl in Zweifel zu ziehen.“ Er arbeite mit dem Heilbronner „gut, vertrauensvoll und erfolgreich zusammen“, so Kretschmann, der die gesamte Legislaturperiode bis zum Frühjahr 2026 im Amt bleiben möchte. „Man muss dazu fit und gesund bleiben, dafür tue ich einiges“, sagte der 74-Jährige. Man brauche aber auch die Kraft und die Energie, um dieses Amt auszufüllen, so Kretschmann. „Ich werde 75 in diesem Jahr, da mehren sich die Kräfte nicht.“ jüp